Vom 24. bis 26. November 2025 fand in Raumberg-Gumpenstein die 76. Pflanzenzüchtertagung zum Thema „Breeding for the ‚hidden half‘: challenges and new opportunities“ statt. Erneut nahmen zahlreiche österreichische und internationale Expertinnen und Experten aus der praktischen und wissenschaftlichen Pflanzenzüchtung teil. Sie beleuchteten die Herausforderungen der Forschung an Pflanzenwurzeln und gaben einen Einblick in neue Erkenntnisse und technologische Möglichkeiten, die in die Pflanzenzüchtung einfließen. Die Pflanzenzüchtertagung wird jährlich von Saatgut Austria gemeinsam mit der BOKU University und der HBLFA Raumberg-Gumpenstein veranstaltet und von Heinrich Grausgruber vom Institut für Nutzpflanzenzüchtung und -genomik an der BOKU University organisiert.
„Die Wurzelmerkmale von Pflanzen finden bei der Züchtung im Vergleich zu oberirdischen Merkmalen, Ertrag und Krankheitsresistenz meist weniger Beachtung. Sie spielen aber eine entscheidende Rolle bei der Wasser- und Nährstoffaufnahme, der Verankerung und den Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und Mikrobiomen. Insbesondere vor dem Hintergrund des Klimawandels und zunehmend schwierigeren Umweltbedingungen wie begrenzter Verfügbarkeit von Nährstoffen und Wasser im Boden ist ein effizientes Wurzelsystem von großer Bedeutung“, so Saatgut Austria-Obmann Rainer Frank.
Die Berücksichtigung von Wurzelmerkmalen im Züchtungsprozess ist jedoch schwierig, da sie je nach Bodentyp und anderen Umweltfaktoren erheblich variieren können und unterirdisch liegen, was die Erforschung arbeitsintensiv und zeitaufwändig macht. Hinzu kommen komplexe genetische Faktoren. Diesen Herausforderungen, fortschrittlichen Bildgebungstechniken und neuen Erkenntnissen in der Genomik widmeten sich die Vorträge von Roland Pieruschka vom Forschungszentrum Jülich und Katarzyna Retzer von der BOKU University. Die Forschungsergebnisse können künftig dabei unterstützen, Wurzelsysteme während ihrer Entwicklung zu untersuchen, ohne den Boden zu stören, und Gene zu identifizieren, die mit wünschenswerten Wurzelmerkmalen assoziiert sind.
Ein Fokus der Veranstaltung lag zudem auf den Auswirkungen des Klimawandels auf die europäische Landwirtschaft und notwendigen Anpassungsstrategien. Zentrale Entwicklungen sind steigende Durchschnittstemperaturen, veränderte Niederschlagsmuster mit trockeneren Sommern und feuchteren Wintern sowie eine generelle Zunahme klimatischer Extremereignisse wie Hitzeperioden, Starkniederschläge und Trockenphasen, unterstrich Josef Eitzinger von der BOKU University.
Die Temperaturerhöhung führt zu einer deutlichen Beschleunigung der Pflanzenentwicklung. Blüh- und Erntezeitpunkte verschieben sich nach vorne, Vegetationsperioden verlängern sich und agrarökologische Anbauzonen verschieben sich nach Norden und in höhere Lagen. Dies ermöglicht zwar den Anbau wärmeliebender Kulturen wie Soja oder Sonnenblume in neuen Regionen, birgt jedoch gleichzeitig Risiken wie Qualitätsveränderungen, frühere Reife oder eine höhere Anfälligkeit für Extremereignisse.
Die Wasserverfügbarkeit stellt künftig eine der größten Herausforderungen dar. Modellierungen zeigen für viele Regionen Europas – darunter Österreich, Tschechien und Südosteuropa – eine deutliche Zunahme von Wasserstress und einen wachsenden Bewässerungsbedarf insbesondere für Sommerungen. Die Verdunstung nimmt durch höhere Temperaturen stark zu, während die Sommerniederschläge stagnieren oder zurückgehen. Dies erhöht nicht nur das Risiko von Ertragseinbußen, sondern verschärft auch die Konkurrenz um Bewässerungswasser. Gleichzeitig führen häufigere Starkniederschläge zu erheblichen Bodenerosionen, insbesondere auf ungeschützten oder hanglagigen Flächen.
Der Klimawandel beeinflusst auch biotische Stressfaktoren. Höhere Temperaturen begünstigen das Auftreten und die Ausbreitung von Schädlingen, Krankheiten und invasiven Unkräutern. Viele wärmeliebende Arten wie Maiswurzelbohrer oder Ambrosia können sich in neue Regionen ausbreiten oder mehrere Generationen pro Jahr bilden. Viruskrankheiten werden durch die veränderten klimatischen Bedingungen ebenfalls begünstigt. Diese Entwicklungen verschärfen die Produktionsrisiken und verlangen eine Anpassung der Pflanzenschutz- und Züchtungsstrategien.
Anpassungsmaßnahmen werden auf mehreren Ebenen notwendig sein. Im Ackerbau gehören dazu unter anderem optimierte Anbauzeitpunkte, der Einsatz hitze- und trockenheitstoleranter Sorten, Anpassungen in der Fruchtfolge, konservierende Bodenbearbeitung sowie der gezielte Ausbau effizienter Bewässerungstechnologien. Landschaftsstrukturelle Maßnahmen wie Windschutzhecken oder Begrünungen können das Mikroklima verbessern, Verdunstung reduzieren und Erosionsschutz bieten. Betriebswirtschaftliche Risikomanagementstrategien wie Versicherungen, Monitoring-Systeme und flexible Vermarktungsstrategien gewinnen zudem an Bedeutung.
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